Samstag, 10. Oktober 2015

60 Jahre deutsch-französischer Schüleraustausch

60 années échange d'élèves franco-allmand.
1955 begann der erste Schüleraustausch zwischen meinem ehemaligen Gymnasium St. Georg in Hamburg und dem Lycée Voltaire in Paris. Initiator der Idee der Versöhnung zwischen Deutschen und Franzosen nach dem 2. Weltkrieg war Pierre Villain.
Er wurde am 28. Juni 1910 in Berlin geboren, besuchte dort das französische Gymnasium bis zum Abitur. Seine hugenottischen Vorfahren waren Ende des 17. Jahrhunderts ihres Glaubens willen von Frankreich nach Brandenburg emigriert. Er brach im Jahre 1934 seine Studien in Berlin ab und ging den umgekehrten Weg, um nationalsozialistischer Intoleranz und Gewalt zu entgehen. Nach schwierigen Jahren, in denen ihn, einen Non-Violant, besonders der Dienst in der Fremdenlegion und der Widerstandsbewegung, vor harte Prüfungen stellte, konnte er im Jahre 1947 das Studium der Germanistik mit der Aggrégation d'allmand abschließen. Nach Tätigkeiten als Deutschlehrer an den Lycées von Arras und Beauvais folgte im Jahre 1951 die Berufung an das Lycée Voltaire in Paris. Dort gründete er den Club "Connaissance de L'Allemagne", dessen vielseitiges Programm bald auch auf andere Pariser Schulen erhebliche Ausstrahlungskraft ausübte. Zugleich stellte es eine Form der Einstimmung und Vorbereitung auf den Schüleraustausch dar, zu dem Paul Villain im Spätsommer 1954 die Initiative ergriff. Zu ersten Vereinbarungen kam es mit dem Stader Athenaeum. Am 6.September 1954 wurde die Vermittlung mit dem Gymnasium St. Georg in Hamburg hergestellt.  und danach mit der Heinrich-Hertz-Schule.
Durch seinen Pioniercharakter fand der Austausch des Jahres 1955 auch außerhalb der Schule Beachtung und Förderung, insbesondere zu der deutsch-französischen Gesellschaft "Cluny" wie zu Behörden und Wirtschaftsunternehmen.
Ich selbst habe in den Jahren 1956 und 1958  jeweils 3 Wochen in einer französischen Familie in Paris gelebt und wurde wie ein guter Freund des Hauses behandelt. Mein erster Austauschschüler war Paul Martin, mein zweiter Jean-Luc Regnier. Beide wurden dann zu meiner Familie in Hamburg eingeladen. Im Jahre 1965 habe ich Jean-Luc zum letzten Mal in Paris gesehen. Leider war seine sympathische Mutter, Madame Regnier, kurz vorher an Krebs verstorben. Aber Monsieur Regnier hat sich sehr über meinen Besuch gefreut.
Paul Villain wurde wegen seiner Verdienste zum Chevalier de la Légion d'Honneur ernannt und erhielt das Bundesverdienstkreuz der BR Deutschland.
Am 21. Juli 1987 starb er an einem Krebsleiden. Im Dienste der Menschheit vermachte er seinen Körper der medizinischen Forschung. Sein Geist wird durch das Medium des Jugendaustausches auch weiterhin im Dienst der deutsch-französischen Zusammenarbeit und Freundschaft stehen.

Lit.: Carl Heinz Cadow, Hamburg 1992 in "Lebenslinien", Dokumentation über Abiturienten des Gymnasiums St. Georg in Hamburg, Jahrgang 1961, verfasst 2001